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德语故事阅读:Gennaros Weihnachtskarte

掌握这些知识,攻克TestDaF5级

来源:网络 2020-04-29 23:32 编辑: 欧风网校 158

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摘要: 德语故事阅读:Gennaros Weihnachtskarte

Novembergrau schob sich durch unsere Straße, zäh und klebrig wie die graue



Masse, die ich heute in einem vergessenen Marmeladenglas ganz hinten im

Kühlschrank gefunden hatte. Beim Blick aus dem Fenster hatte mich urplötzlich

ein Heißhunger nach Erdbeermarmelade ergriffen, die ich sonst nie aß.

Doch beim ersten unwilligen Schritt aus der Tür stellte ich fest, dass sich

hinter dem Grauschleier ein Geschenk verbarg. Jedes kleine Ding war von Raureif

bedeckt und umgestaltet. Die Autos machte er nicht schöner, aber am Straßenrand

hatte niemand die Disteln und alten Gräser abgeschnitten, und sie waren zu

seltsam gekrümmten Gestalten erstarrt. Von einem silbernen Pelz aus Reif umhüllt

wirkten sie wie in einem lautlosen und ewigen Tanz gefangen, hingezaubert von

einer Frostnacht, der es gleich war, ob jemand in dieser eiligen Stadt das zarte

Wunder bemerkte.

Kurz darauf kniete ich auf den Steinen und zielte mit der Kamera auf die

Wesen, ehe der erstbeste Hund an ihnen das Bein hob und sie in die Flucht

schlug.

"Was soll das denn werden? Du wirst dich erkälten, Mädchen!", hörte ich

Gennaros Stimme hinter mir.

Ich glaube, er nennt alle Frauen unter sechzig Mädchen. Aber ich mag ihn

trotzdem. Schon wegen der Behutsamkeit, mit der er alles in seinem über die Zeit

geretteten Tante-Emma-Laden berührt, als sei jeder Apfel etwas

Einzigartiges.

"Weihnachtskarten", antwortete ich, ohne ihn eines Blickes zu würdigen,

denn bei diesem Licht war es nicht einfach, die richtige Einstellung zu

finden.

An der richtigen Einstellung schien es allerdings auch Gennaro zu mangeln.

"Bah! Weihnachtskarten!", sagte er verächtlich. "Weihnachtskarten sind

furchtbar."

Nun ließ ich doch die Kamera sinken und starrte ihn entgeistert an. "Sie

mögen keine Weihnachtskarten?"

Für mich war das undenkbar. Bei uns zuhause waren sie ins Haus geflattert

wie freundliche Schmetterlinge aus aller Welt. Mein Vater bekam sie aus Japan

auf feinem Büttenpapier, aus Australien mit exotischen Vögeln darauf, aus

Amerika mit ganzen Geschichten in Schnörkelschrift. Wir hängten sie überall im

Haus auf. Jeder fand eine andere am schönsten und erklärte auch warum. Sie

brachten eine Fülle kleiner Welten und schöner Träume in die kalten Tage, und es

störte uns nicht, dass manche nur Werbezwecken dienten. Wichtig war, was man

daraus machen konnte.

"Nö", sagte Gennaro, der in dritter Generation Deutscher war und von seinen

südländischen Vorfahren lediglich den Namen und die tiefdunklen Augen

übrigbehalten hatte, die einem an seiner langen, dürren Gestalt mit dem weißen

Haarkranz als Erstes begegneten. "Ist doch Blödsinn. Das ganze Jahr denken die

Leute nicht aneinander. Dann schmieren sie irgendwelche Floskeln aufs Papier,

verschwenden eine Briefmarke und ihre Zeit und die des Empfängers, der ihnen

auch noch antworten muss, und alles nur, weil man das angeblich so macht."

Er holte zwei Kiwis aus seiner Tasche und steckte sie mir in die Hand. Er

benahm sich immer, als sei er mein Großvater, dabei kannten wir uns erst seit

ich vor zwei Jahren ins Nebenhaus gezogen war und bei ihm einkaufte. "Vitamine,

Mädchen. Bei dem Wetter brauchst du Vitamine. Und nu lass den Unfug, du kommst

zu spät zur Arbeit."

Brummelnd ging er zurück in seinen Laden, wo drei Kunden schon geduldig auf

ihn warteten.

Er hatte Recht. Ich rannte zum Bus, doch Gennaros Abneigung gegen

Weihnachtskarten nagte den ganzen Tag an mir. Für mich kam das einem Skandal

gleich. Es passte mir nicht. Auch ich kann stur sein. Mindestens so stur wie

Gennaro.

Am nächsten Tag fischte ich unauffällig in seinem Papierkorb und fand seine

Privatadresse heraus. Dann kaufte ich Weihnachtskarten, die schönsten und

ungewöhnlichsten, die ich finden konnte. Ich malte Weihnachtskarten. Ich druckte

Weihnachtskarten. Ich beklebte Weihnachtskarten.

Es waren noch dreiundvierzig Tage bis Weihnachten, und in dieser Zeit bekam

Gennaro zweiundfünfzig Weihnachtskarten. Sie flatterten durch seinen

Briefschlitz wie freundliche Schmetterlinge, jeden Tag eine, manchmal auch zwei,

und sie landeten in seinem Leben, ob er wollte oder nicht.

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