德语童话故事:Der Flaschenhals
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In der engen, krummen Straße zwischen ärmlichen Häusern stand ein schmales, hohes Haus aus Fachwerk, das schon überall aus den Fugen ging. Arme Leute wohnten hier, und am ärmlichsten sah es in der Dachkammer aus, wo vor dem kleinen Fenster im Sonnenschein, ein altes verbeultes Vogelbauer hing, das nicht einmal ein ordentliches Trinknäpfchen hatte, sondern nur einen umgekehrten Flaschenhals mit einem Pfropfen unten. So ließ er sich mit Wasser füllen. Ein altes Mädchen stand an dem offenen Fenster, sie hatte eben den Käfig mit Vogelmiere geschmückt, in dem ein kleiner Hänfling von Stange zu Stange hüpfte und sang, daß es schallte.
"Ja, Du hast gut singen!" sagte der Flaschenhals. Freilich sagte er es nicht so, wie wir es sagen können, denn ein Flaschenhals kann ja nicht sprechen, aber er dachte es in der Art bei sich, wie wir Menschen auch mit uns selbst sprechen. "Ja, Du hast gut singen, Du hast Deine ganzen Glieder. Du solltest einmal in meiner Lage sein, Deinen Unterleib verlieren und nur noch Hals und Mund übrig behalten, noch dazu mit einem Pfropfen darin, dann würdest Du nicht singen. Aber es ist doch gut, daß wenigstens einer vergnügt ist. Ich habe keinen Grund zum Singen, und ich kann es auch nicht. Damals, als ich noch eine ganze Flasche war, konnte ich es, wenn man einen Pfropfen gegen mich rieb. Damals wurde ich die wahre Lerche, die große Lerche genannt! – Und dann damals, als ich mit der Kürschnersfamilie im Walde war, und die Tochter sich verlobte – ja, daran erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen! Ich habe doch viel erlebt, wenn ich es überdenke! Ich bin durch Feuer und durch Wasser gegangen, unten in der schwarzen Erde bin ich gewesen, und weiter in die Höhe hinauf gekommen als die Meisten, und nun schwebe ich draußen vor dem Vogelbauer in Luft und Sonnenschein. Es wäre wohl der Mühe wert, meine Geschichte zu hören, aber ich spreche nicht laut darüber, denn das kann ich nicht."
Und so erzählte sie sich, oder vielmehr, dachte sie sich ihre Geschichte, die merkwürdig genug war. Und der kleine Vogel sang lustig sein Liedchen, und unten auf der Straße fuhr man und ging man, jeder dachte an sich oder an überhaupt gar nichts, aber das tat der Flaschenhals.
Er dachte zurück an den flammenden Schmelzofen in der Fabrik, wo er ins Leben geblasen wurde. Er erinnerte sich noch, daß er ganz warm gewesen war und, als er in den glühenden Ofen hineingeschaut hatte, die größte Lust verspürt hatte, gerade wieder hineinzuspringen, sich aber später nach und nach, je nach dem Grade seiner Abkühlung, recht wohl befunden hatte, wo er war. Er stand in Reih und Glied in einem ganzen Regiment von Brüdern und Schwestern, alle aus demselben Ofen, aber einige waren zu Champagnerflaschen geblasen worden, andere zu Bierflaschen, und das ist ein Unterschied. Später in der Welt draußen kann freilich eine Bierflasche den köstlichsten Lacrimae Christi in dich fassen und eine Champagnerflasche mit Wichse gefüllt sein, aber wozu man geboren ist, kann man doch am Äußeren erkennen; Adel bleibt Adel, selbst mit Wichse im Leibe.