德语故事阅读:Engel vor dem Fenster
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2020-11-23 01:54
编辑: 欧风网校
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摘要:
德语故事阅读:Engel vor dem Fenster
Julius Puskeppelies konnte nicht mehr schlafen, dabei war es erst halb
sieben und ihm fiel keinerlei Grund ein, aufzustehen. Es war die Woche zwischen
dem dritten und dem vierten Advent, kurz vor Sonnenwende. Er zweifelte daran,
dass die Tage wirklich wieder länger werden sollten, so dunkel war es. Himmel
und Erde, Garten und Straße wurden von dem allgegenwärtigen Schwarz verschluckt.
Tatsächlich konnte er zurzeit kaum glauben, dass es überhaupt jeden Tag einen
Morgen geben würde. Selbst wenn es endlich heller wurde, blieb draußen ein
gewichtiges Grau. "Morgen-Grauen!", sagte Julius laut. Was für ein scheußlicher
Ausdruck, dachte er. Seine Stimme schob die Stille nicht beiseite. Das Wort fiel
in das Schweigen und zerbarst wie eine Glaskugel auf dem Boden.
Nicht nur die langen Nächte, auch die Kälte hatte das Land schon seit
Wochen im Griff, ein trockener Frost ohne Schnee, der mit tonlosem Knirschen in
seine Knochen kroch und in den Beeten auch die letzte Rose in eine trostlose
braune Mumie verwandelt hatte.
Julius versuchte sich daran zu erinnern wie es war, als er noch zur Arbeit
ging an solchen frühen Dezembermorgen und auf dem Bahnsteig mit den Kollegen
gewartet hatte bis der Zug kam. Sogar Nachtschicht hatte er geschoben; es hatte
ihm nichts ausgemacht. Wann war er so alt geworden? Seit Jenny gestorben war?
Das war nun auch schon drei Jahre her.
Ihm selbst unerklärlich, wachte er neuerdings mit dem Eindruck auf, in der
Nacht etwas Schreckliches erlebt zu haben. Dazu kam das Gefühl bodenloser
Einsamkeit, so als sei er in der Finsternis der einzige Mensch in dem
winterlichen Land.
Mit leisem Stöhnen kämpfte er sich aus den Decken, zog sich an. Oben drüber
noch seinen ausgeleierten Lieblingspullover, den ihm Jenny vor einer Ewigkeit
gestrickt hatte; er spürte immer noch ein wenig Trost darin. Er schlurfte zum
Fenster und zog den Vorhang einen Spalt weit auf. Gnadenlose Schwärze, wie
immer. Wenigstens hatte Frau Zisselmeyer ihren violett blinkenden Leuchteengel
ausgeschaltet, der den Abenden jeden Frieden nahm. Überhaupt, Engel! Julius
konnte mit Engeln nichts anfangen. Sie gingen ihm auf die Nerven. Vor allem
violette, blinkende. Aber auch die ewig blonden, belockten, federgeflügelten im
weißen Wallegewand, die mit aufgerissenen Puppenaugen von Einkaufstüten und
Baumspitzen, aus Schaufenstern und Weihnachtskarten spähten.
Seine Jenny mit ihrem schwarzen glatten Pagenschnitt, ihren moordunklen
Augen und ihrer damals gar nicht zeitgemäßen Vorliebe für kurze Hosen: das war
ein Engel gewesen. Aber davon hatte es nur einen gegeben.
Julius schaltete den Fernseher ein, um die Stille zu verjagen.
"Streichkäse, leicht und luftig wie Engelsflaum. Himmlisch!" juchzte eine grelle
Frauenstimme scharf durch den Raum, während sich vor einem postkartenblauen
Himmel langbeinige, halbnackte, beflügelte Blondinen lasziv und mit vollem Mund
kauend auf watteweichen Wolken räkelten als wäre der richtige Frischkäse der
Schlüssel zum Glück. Hastig drückte Julius den Knopf erneut und setzte Teewasser
auf. Das Gluckern des Kessels lockerte das wiedergekehrte Schweigen ein
wenig.
Der Spalt in der Gardine war offen geblieben. Draußen lag der Rasen leer im
müden Schein der einen Gaslaterne. Wo waren sie denn, die trostbringenden
himmlischen Heerscharen?
Alle mit Käse essen im Werbestudio beschäftigt? Jenny hatte Kitschengel
auch nicht gemocht. Sie schmückte das Haus mit Tannenzweigen, Beeren und
Blättern. "Engel kommen vom Himmel, nicht aus der Fabrik", hatte sie gesagt.
Aber eines hatten sie immer gemacht, bis Jenny mit siebzig nicht mehr gut laufen
konnte: Schneeengelsilhouetten. Denn der Schnee kam ja vom Himmel.
Sie waren als Nachbarskinder aufgewachsen. Wenn es schneite war Jenny im
Garten, schmiss sich rücklings hin und tat, was alle Kinder damals taten:
bewegte die Beine und die Arme auseinander und zusammen und stand dann ganz
vorsichtig auf. So blieb der deutliche Umriss eines Engels im Schnee zurück, und
Jenny wiederholte das, bis die ganze Wiese voller Engel war. Sie verlangte von
Julius, dass er ihr half. Nur: Jenny konnte nie warten, bis genug Schnee lag.
Schon bei der ersten dünnen Schicht auf dem Boden war sie nicht zu halten. Und
wenn sie dann aufstand, waren ihre Jacke und ihre Hosen hinten voll schwarzer
Erde und auch die Engelsilhouetten waren nicht gerade engelhaft weiß. "Engel
sind nicht immer weiß", sagte Jenny zufrieden. "Hauptsache, es sind Engel und
sie kommen von oben."
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